Transformation: Die Nord-West Oelleitung GmbH gestaltet den Wandel im Energiesektor. Damit übernimmt das Wilhelmshavener Unternehmen Verantwortung für eine lückenlose Versorgung mit klassischen und innovativen Energieträgern: lösungsorientiert, verlässlich und zukunftsgewandt.
Doppel-Wumms und Deutschlandgeschwindigkeit sind zwei geflügelte Worte der Energiewende. Die Nord-West Oelleitung GmbH (NWO) brauchte weder das eine noch das andere, um 1956 in Wilhelmshaven die erste Mineralölfernleitung Europas zu bauen und in nur zwei Jahren Bauzeit fertigzustellen.
Eine Meisterleistung heute wie damals. Vor allem, wenn man sich einmal bewusst macht, unter welchen Voraussetzungen dieses Projekt realisiert worden ist. Wilhelmshaven liegt nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg zu 70 Prozent in Schutt und Asche. Die Genehmigungsverfahren in einem Land, das in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden ist, gestalten sich dementsprechend schwierig. Aber wie sagte schon der französische Schriftsteller Victor Hugo: „Nichts ist mächtiger als eine Idee zur richtigen Zeit.“ Und er hat in Bezug auf die NWO Recht behalten.
Seit Aufnahme des Betriebes am 29. November 1958 hat sich der neu gebaute Ölhafen Wilhelmshaven zu dem bedeutendsten Mineralölimporthafen Deutschlands entwickelt. Inzwischen ist mehr als eine Milliarde Tonnen Mineralöl über die dortigen Anlagen umgeschlagen worden. Nicht zuletzt deshalb gilt die NWO als Keimzelle des einzigen deutschen Tiefwasserhafens Wilhelmshaven.
Nach fast sieben Jahrzehnten am Markt hat das Unternehmen nicht nur viel Wasser die Jade runterfließen sehen, sondern sich so manchen Herausforderungen erfolgreich gestellt. Unvergessen bleiben die beiden Öl-Preis-Krisen 1973 und 1979.
Im Gespräch mit dem HafenTalk der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung e.V. (WHV e.V.) erläutert NWO-Geschäftsführer Dr. Jörg Niegsch, wieso man diese Ausnahmesituationen nicht mit der aktuellen Energiewende vergleichen kann. Warum der Chemieingenieur trotz der stark geänderten Rahmenbedingungen positiv in die Zukunft blickt und mit welchen Standortvorteilen sein Unternehmen punktet, verrät er im folgenden Interview.
Vor 69 Jahren hat die NWO Wilhelmshaven zur Energiedrehscheibe Deutschlands aufgebaut. Erdöl spielte dabei eine Schlüsselrolle. Unser Wohlstand der letzten sieben Jahrzehnte basiert bekanntlich auf fossilen Energieimporten. Ob Treibstoffe, Kunststoffe, Farben, Medikamente oder Kosmetika, Erdöl ist in unserem Alltag allgegenwärtig und unsere moderne Industriegesellschaft ohne diesen Rohstoff und sein Potenzial nur schwer vorstellbar. Wie erklären Sie es sich, dass all diese positiven Argumente in der öffentlichen Diskussion trotzdem so gut wie gar nicht genannt werden und man Erdöl stattdessen für den gesamten Klimawandel verantwortlich zu machen scheint?
In der Tat, fossile Energieträger – und gerade Rohöl – werden geächtet. Vergessen wird allerdings, dass ein Drittel der Primärenergie aus Mineralöl gedeckt wird, ein Drittel aus Erdgas und das verbleibende Drittel besteht aus Kohle, Nuklear-Energie und Erneuerbaren. Mineralöl steht besonders für Mobilität in Form von Straßen-, See- und Luftverkehr sowie ganz besonders für die Kunststoffindustrie.
Es ist kein Geheimnis, Erdöl führt bei der Verbrennung zu CO2-Emissionen. Das ist nun einmal physikalisch und chemisch begründet. Und ja, diesen Anteil kann man als menschengemachten Klimawandel bezeichnen.
Nicht vergessen sollte man, dass Mineralöl ebenfalls für Wohlstand steht und die Frage für mich ist immer: Was ist die umfassende Alternative? Das Thema fossile Energien kann also nicht einfach verbannt werden, sondern es ist eine Transformation gefragt. Die große Frage bleibt: Wie soll die Transformation erfolgen und welcher Anteil verbleibt bei den Fossilen?
Für mich geben Sie diesbezüglich die Antwort direkt vor unserer Haustür. Denn „Aus Tradition im Wandel“ Wilhelmshavens Motto anlässlich des 150. Stadtgeburtstages passt ebenso zur NWO. Seit der Gründung im Jahr 1956 gestaltet Ihr Unternehmen flexibel und lösungsorientiert den Wandel im Energiesektor. Momentan arbeiten Sie mit Hochdruck daran, den Umschlag, die Lagerung und die Durchleitung von klimafreundlichen Energieträgern zu ermöglichen. Wie darf ich mir das vorstellen? Können Sie zum Beispiel vorhandene Anlagen für Ihr zukünftig erweitertes Portfolio weiter nutzen?
NWO ist im Wesentlichen ein logistischer Dienstleister der großen Mineralölunternehmen und folgt somit der Transformation in der Mineralölindustrie. Alle diese Firmen legen ihren Schwerpunkt jedoch nicht nur auf Öl, sondern genauso auf Gas. Somit kommt meines Erachtens dem Gas eine besondere Bedeutung in der Zukunft zu – und dazu zähle ich definitiv Wasserstoff.
Deswegen beschäftigt sich NWO intensiv mit „blauen“ Wasserstoff-Projekten aus Erdgas oder LNG sowie mit „grünem“ Wasserstoff“, der aus importiertem Ammoniak hergestellt wird. Die bereits vorhandenen Anlagen bei der NWO eignen sich dafür zwar nur bedingt, aber NWO verfügt über sehr viele freie und nutzbare Flächen, die ohne gesonderte Suche nach Kohärenzflächen sofort bebaut und neue Anlagen in Betrieb genommen werden können. Des Weiteren bieten wir eine voll funktionsfähige und flexibel anpassbare Hafen-Infrastruktur an. Beides zusammen ist hervorragend für Innovationen und Investitionen geeignet.
Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung aller Sektoren. Sie haben sich kürzlich für die Nutzung des sogenannten blauen Wasserstoffs ausgesprochen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass aufgrund der Carbon Capture and Storage -Technologie bis zu 95 Prozent der CO2-Emissionen, die bei der Nutzung fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung und durch industrielle Prozesse anfallen, aufgefangen, weitergeleitet und dauerhaft unterirdisch gespeichert werden können. Wird das ein weiteres Geschäftsfeld für die NWO werden? Schließlich werfen Sie knapp 70 Jahre Know-how im Bereich der zuverlässigen Energieversorgung in die Waagschale.
Die Nachfrage nach Wasserstoff scheint riesig zu sein. Dazu muss Wasserstoff aber in sehr großen Mengen kontinuierlich produziert und bereitgestellt werden. Große Mengen kann man speziell zum Hochlauf der Wasserstoffindustrie nur mit erprobter und bewährter Technologie herstellen, und das ist eben technisch nur mit Erdgas im „Steam-Reforming“-Prozess zu erreichen.
Diese Technologie zur Erzeugung von „blauem“ Wasserstoff ist seit geraumer Zeit großtechnisch verbreitet. Neu ist hingegen, dass die großen Mengen an CO2, die auf diese Weise zustande kommen, abgeschieden werden. Das nennt man in der Fachwelt „Carbon Capture and Storage“ (CCS). Dies beinhaltet die Speicherung von CO2, die Sie schon angedeutet haben.
Es gibt nur wenige Länder auf der Welt, die diese Technologie skeptisch beurteilen. Dazu zählt Deutschland. 2023 habe ich an einer Veranstaltung in Dänemark teilgenommen, als der heutige König Frederik von Dänemark – seinerzeit noch Kronprinz – die erste Einspeisung von CO2 gestartet hat. Symbolisch gab er das Kommando, dass Kohlendioxid ab sofort im Meeresboden der Nordsee eingelagert wird – in einem ehemaligen Ölfeld etwa 200 Kilometer von der Küste entfernt.
Er hat es als Meilenstein beschrieben, genau wie sein Vater Prinz Henrik vor fast genau 50 Jahren, als unter seiner Ägide die erste dänische Gas- und Ölförderung in der Nordsee angelaufen ist. Noch gut erinnere ich mich an König Frederiks Worte: Ich bin sehr erfreut, den Fluss in den Leitungen umzukehren und CO2 in den dänischen Boden zu schicken. Zum Nutzen des Klimas, für Dänemark, für Europa, für den Planeten.“ Hinzu fügte er, dass dies ein kleiner Schritt für die Technologie wäre, denn die sei vorhanden, jedoch ein großer Schritt für die Klimaneutralität.
NWO hat bekanntlich im Bereich der Energieversorgung viel Erfahrung in der Ölindustrie, die auch im Rahmen der Energiewende weiter benötigt wird. Daher setzen wir auf starke Partner, die ihr Know-how einbringen und auf dem Gelände der NWO in innovative Großanlagen investieren. Wir als NWO sind jedenfalls bestens aufgestellt, um deren Betrieb professionell zu begleiten.
Die Erzeugung von blauem Wasserstoff ist allein schon deshalb brillant, weil diese Technologie sogar dazu genutzt werden kann, um das „unvermeidbare“ CO2 – zum Beispiel aus der Stahlindustrie – zu speichern. Meiner Meinung nach gelingt eine Klimaneutralität nur, wenn zeitgleich eine Speicherung von CO2 ermöglicht wird.
Es heißt, wer die Zukunft gestalten will, muss in der Vergangenheit geblättert haben. Die derzeitige Energiewende ist nicht die erste Herausforderung, der sich Ihr Unternehmen stellen muss. Was unterscheidet die aktuelle Lage von den Ölkrisen in den Jahren 1973 und 1979?
Die Ölkrise, oder besser gesagt die Öl-Preis-Krise, war weder vom Klima noch von der Nachfrage getrieben. Die Herstellung von Mineralölprodukten wurde damals nicht infrage gestellt und auch nicht das fossile Molekül per se. Bei der momentanen Diskussion darf man nicht vergessen, dass die weltweiten Prognosen zwar einen geringeren Teil an Öl am Primärenergiebedarf vorhersagen, dennoch bleibt der Bedarf auf Jahrzehnte sehr hoch.
Nichtsdestotrotz wird NWO im Jahr 2026 einen deutlichen Einbruch erfahren, da fast 40 Prozent weniger Rohöl umgeschlagen werden sollen. Anders als bei den letzten Ölkrisen ist dies voraussichtlich nicht mehr umkehrbar. Diese Hiobsbotschaft kommunizieren wir intern und extern offen. Nur mit Transparenz schaffen wir Vertrauen. Parallel dazu verweisen wir selbstbewusst auf unsere Stärken als Experten, Energiedienstleister und Eigentümer eines hervorragenden Standortes für neue Technologien.
Den Endverbraucher können wir im Vorfeld beruhigen. An den Tankstellen wird man nichts bemerken, da die inländische Versorgung aus Rotterdam erfolgt, indem Tanklager über Binnenschiffe auf dem Rhein beliefert werden.
Generell muss man sich leider eingestehen, dass die Rohölverarbeitung in ganz Europa – insbesondere aber in Deutschland – zu kostenintensiv ist und zusätzlich regelrecht geächtet wird. Zwei gute Gründe, warum sich die großen Mineralölunternehmen meines Erachtens aus Deutschland zurückziehen.
Auf Ihrer Homepage werben Sie damit, dass eine ganzheitliche Unternehmensführung der Antrieb der NWO sei. Was darf ich mir darunter vorstellen?
Bei NWO schauen wir ganzheitlich auf das Unternehmen. Unser Slogan ist „Sicher, verlässlich, relevant!“ Das beinhaltet grundsätzlich die Arbeits-, Anlagen- und Cyber-Sicherheit sowie die verlässliche Versorgung der Raffinerien und Kavernen. Die hohe Relevanz der NWO an der Energieversorgung resultiert aus der außerordentlichen Bedeutung der Mineralölindustrie. Das allein reicht inzwischen nicht mehr aus, um zukunftsfähig und attraktiv als Arbeitgeber und interessant für neue Talente zu sein.
Infolgedessen beschäftigt sich NWO im Alltag selbstverständlich mit dem Thema Nachhaltigkeit. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der sehr energieintensive Transport von Rohöl bis ins Rhein-Ruhr-Gebiet bzw. bis nach Hamburg bereits klimaneutral erfolgt, indem klimaneutraler Strom genutzt wird.
An unserem Wilhelmshavener Standort haben wir mittlerweile ein kleines Team installiert, das die vielen Unternehmensprozesse und -bestandteile, die bei uns in Sachen Nachhaltigkeit seit langem vorhanden sind, listet und bewertet. So werden Verbesserungspotenziale identifiziert, denen wir auf der Reise zu mehr Nachhaltigkeit nachkommen werden. Dabei hilft uns, dass seit unserer Gründung unsere oberste Prämisse „Schutz von Mensch und Umwelt“ lautet. Das heißt, wir fangen nicht bei Null an.
Nächstes Jahr feiert die NWO ihren 70. Geburtstag. Was wünschen Sie sich für Ihr Unternehmen zu diesem Anlass. Oder anders gefragt: Was wäre für Sie und Ihre Mitarbeiter das schönste Geschenk?
Üblicherweise feiern wir nicht das Gründungsjahr der NWO, sondern die Aufnahme des Betriebs 1958. Somit werden wir erst im Jahr 2028 wieder planmäßig eine größere Feier ausrichten. Bis dahin hat sich herauskristallisiert, wie NWO mit ihren zahlreichen Alleinstellungsmerkmalen wesentlicher Teil der Energietransformation sein wird. Das „Ob?“ stelle ich dabei gar nicht mehr infrage!
Es wird letztendlich darum gehen, wie, in welchem Umfang und welche Rolle NWO bei der Energieversorgung der Zukunft spielt. Und das nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Nachbarländer. Unser Motto ist Ölimport „und“ neue Energien und nicht „statt“. Das größte Geschenk wäre somit, wenn Innovationen und Investitionen vor allem zum Thema Wasserstoff bei NWO getätigt werden und das am besten verbunden mit baldigen finalen Investitionsentscheidungen.
Schiffsanleger der Nord-West Oelleitung GmbH
FOTOS: NWO