Dauerproblem Seeschleuse Wilhelmshaven

Sehr geehrter Herr Minister Pistorius,

als Anhang beigfügt übersenden wir Ihnen unseren Brief zu Problemen bei den beiden Seeschleusen der „4. Einfahrt“ in Wilhelmshaven.

Die Schleusen sind im Eigentum der Bundeswehr und werden von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Auftrag der Bundeswehr im täglichen Betrieb betreut, gewartet und instand gesetzt.

Details entnehmen Sie bitte dem Brief.

Brief an Verteidigungsminister Pistorius zur Seeschleuse

Wir werden in den nächsten Tagen eine Pressemitteilung zu dem Thema herausgeben.

Mit freundlichen Grüßen
Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung e. V.

John H. Niemann Hans-Joachim Uhlendorf
Präsident Vize-Präsident

 

Dauerproblem Seeschleuse Wilhelmshaven

Sehr geehrter Herr Minister Pistorius,

bei der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung e.V. (WHV e.V.) steht die Instandhal-tung der Seeschleuse „4. Einfahrt“ ganz oben auf der jährlichen Wiedervorlage.

Effektives Wartungs- und Instandsetzungs-Management fehlt

Auch der nicht eingeweihte Beobachter stellt beim Überfahren der Jachmannbrücke am nordöstlichen Ende eine verhüllte im Wasser schwimmende Konstruktion fest und fragt sich: Hat Verhüllungskünstler Christo schon einen Nachfolger in Wilhelmshaven?

Die im Hafengeschehen Eingeweihten wissen jedoch, dass sich seit 2010 dort das fünfte Schleusentortor unter den Abdeckplanen versteckt. Und ja, es wird dort gearbeitet.
Seit mindestens 5 Jahren!

Bereits mehrfach wurde angekündigt, dass die an dem Tor vorzunehmenden Instandset-zungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen der Fertigstellung entgegengehen:
Das Tor sollte gemäß Auftrag 2019 fertig sein, dann Verlängerung bis Frühjahr 2020, später hieß es: Endabnahme 2022, nach letzten Informationen aus gut unterrichteter Quelle: Aus-heben des Tores ist für Herbst 2024 vorgesehen!
Solange dieses Tor nicht als Austauschtor zur Verfügung steht, wird jeder Fehler und Mangel an den vier im Einsatz befindlichen Toren zum Betriebsproblem und ein geregelter Betrieb mit beiden Schleusenkammern ist nicht möglich! Vielmehr ist auch hier festzustellen, dass die Mängel in der Abwicklung der Torsanierung zu weiteren Kostensteigerungen führen. Da kein Wechseltor zur Verfügung steht und das reparaturbedürftige Außentor der Westkammer aus-geschwommen werden musste, bleibt die westliche Schleusenkammer dem Tideeinfluss ausgesetzt. Das Tor wird im Innenhafen am Kai liegend repariert. Da ein Dock dafür fehlt, muss es mit Tauchern, soweit möglich untersucht und instandgesetzt werden. Das ist lang-wierig, technisch und qualitativ nicht zufriedenstellend und teuer.
Und! Die Torkammer und die Schleusenkammer der nun zur See hin offenen Schleuse ver-schlicken! Besonders kritisch ist das für die Torkammer. Sie ist immerhin fast 60 m lang und ca. 13 m tief und verbunkert, d.h. mit einem starken Betondach abgedeckt, und kann deshalb nicht einfach mit einem im Küstenbereich gängigen Nassbagger geräumt werden. Es muss also ein passender Bagger für Binnengewässer zum Einsatz heran gefahren werden.

Erleben wir hier ein ähnliches Desaster wie bei den Autobahnen oder der Bahn und anderen Infrastruktureinrichtungen? Wird hier kaputtgespart?
Man könnte davon ausgehen, dass so profane Alltagsvorgänge wie der Betrieb und die In-standhaltung der Schleusen ohne Aufheben in der Öffentlichkeit, gewährleistet sind. Wenn da nicht irgendwo so etwas wie Systemfehler stecken würden.
Die erläuterten Gründe der Verzögerungen sind durchaus nachvollziehbar. Corona, Fachkräf-temangel, unvorhergesehene Schäden, Lieferengpässe, etc..
Sie sind aber in der Nachbetrachtung eine Reaktion auf anders vorgefundene Rahmenbedin-gungen für die auszuführenden Arbeiten. Die Beschreibung der zu erbringenden Leistungen war unzureichend und eben anders als das seinerzeit eingeschaltete Ingenieurbüro sie geplant hatte. Haftet das Ingenieurbüro für die Fehlleistungen? Denn für die Nachtragsleistungen und Zeitverschiebungen bis zur Fertigstellung fallen natürlich erhebliche Mehrkosten an! Wenn ein entsprechender Bauvertrag abgeschlossen wurde, geht vielleicht einiges zu Lasten des Auf-tragnehmers. Wenn nicht vereinbarte, aber notwendige Leistungen im Laufe des Auftrages anfallen, hat das der Auftraggeber zu tragen.

Beschaffung der neuen Scheusentore beschleunigen

Dieser Fall ist aber nur ein kleiner Teil der Schleusengeschichte. Der weit größere Brocken ist der Ersatz der übrigen Schleusentore. Die sollen nach Intervention der WHV e.V. im Jahre 2019/20 und nach den damals schon vorliegenden schlechten Erfahrungen mit der Instand-setzung des noch bearbeiteten Tores neu gebaut werden. Die Planung dazu ist dem Wasser-straßen-Neubauamt für den Mittellandkanal in Hannover übertragen worden. Da auch dort eigentlich keine ausreichenden Ingenieurkapazitäten vorhanden sind, sind die Entwurfsarbei-ten an eine Ingenieurgemeinschaft vergeben worden. Aus gut unterrichteter Quelle wird der Stand der Planung so eingeschätzt, dass die Entwurfsunterlagen Ende September dieses Jahres zur Genehmigung vorgelegt werden sollen. Es wird damit gerechnet, dass die Aus-schreibung der Neubaumaßnahme für Beginn 2024 erfolgen kann.
Von der zügigen und konsequenten Umsetzung der Torneubauten hängt die Betriebssicher-heit des einzigen Zugangs zum Innenhafen Wilhelmshaven ab!
Und damit der Zugang zum Marinearsenal, das gerade mit Milliardenaufwand instandgesetzt wird und zu den vielen Firmen im Innenhafen, wie den Werften, Umschlagsunternehmen und Hafendienstleistern, die mit ihrem Geschäft auch zu den Steuern im Etat der Stadt beitragen. Ein weiteres besonderes Augenmerk verdient die Frage nach der Betriebssicherheit dieser Schleusenanlage als kritische Infrastruktur. In mehrerlei Hinsicht ist die Seeschleuse sicher-heitsrelevant: Als militärische Anlage der Bundesmarine soll sie die Betriebssicherheit für die ein- und ausfahrenden Marineeinheiten gewährleisten und damit die Einsatzbereitschaft der Flotte sicherstellen!
Hochwasserschutz muss zeitnah umgesetzt werden
Sie muss aber auch den Hochwasserschutz als Bauteil innerhalb der Hauptdeichlinie erfüllen! … und darauf soll bis zum Zulauf des letzten neugebauten Tores im Jahre 2032 gewartet werden!? Denn die bisherige Information aus dem Verteidigungsministerium, als Eigentümerin der Schleuse, lautete: Die neu zu bauenden Tore sollen im Abstand von zwei Jahren ab 2026/27 zulaufen. Die vollständige Torausstattung ist dann also 2032 zu erwarten!
Die Forderung der WHV e.V. ist, die zu beschaffenden Neubauten möglichst in einem Auftrag zu vergeben, mit dem Ziel einer frühzeitigen Auslieferung. Um das Ziel zu unterstreichen, soll-te eine monatliche Beschleunigungszulage ausgelobt werden, wenn die Frist unterschritten wird. „Unabhängig davon“, so die Vorstände der WHVe.V., “ sind damit die wirklichen Prob-leme des Schleusenbetriebes nicht wirklich nachhaltig gelöst. Uns geht es darum, dass wir im Interesse der Hafenwirtschaftsunternehmen im Innenhafen ein nachhaltiges Instandhaltungs-prozedere für die Seeschleuse brauchen.
Dazu bedarf es einer klaren, eindeutigen Zuständigkeit und nicht einer Vielzahl von geteilten Zuständigkeiten in zweiter Linie. Davon müssen alle Beteiligten partizipieren!“

Hintergrund:

Fakt ist, dass die Wilhelmshavener Hafenwirtschaft sowie die Marine im inneren Hafen hinter der Seeschleuse 4.Einfahrt nur dann dauerhaft wettbewerbsfähig und einsatzbereit sind, wenn die aus zwei Kammern bestehende Schleusenanlage reibungslos 365 Tage im Jahr funktioniert. Die Schleuse ist redundant gebaut worden, damit der Betrieb immer gewährleis-tet werden kann. Bei entsprechender Wartung müsste auf jeden Fall immer eine Kammer betriebsbereit zur Verfügung stehen und damit Totalschließungen wie in 2018 mit 18 Tagen und 2019 mit 4 Tagen und 2020 mit einer Woche nicht vorkommen.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Eine Schleusenkammer ist schon lange Zeit außer Be-trieb und an der zweiten Kammer wird „Reparatur nach Ausfall“ der Schleusentore betrieben. Nach uns vorliegenden Informationen aus dem Verteidigungsministerium, dem Eigner der Schleuse, standen für die sukzessive Grundinstandsetzung der fast 60 Jahre alten Schleuse, insbesondere der Schleusentore rd. 97 Millionen € (Stand 2019) zur Verfügung. Diese Sum-me gilt es in einem System der geplanten Instandsetzung und – haltung so einzusetzen, dass die technischen Probleme möglichst nicht auftreten. Deshalb bitten wir, die verantwortlichen Entscheidungsträger in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung in Wilhelmshaven, dem Neubauamt für den Ausbau des Mittellandkanals in Hannover und im Verteidigungsmi-nisterium in Berlin auf eine nachhaltige Sanierung der Seeschleuse mit einer angemessenen Personalausstattung für einen störungsfreien Betrieb hinzuarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung e.V.

John H. Niemann             Hans-Joachim Uhlendorf
Präsident                           Vizepräsident

Cc.:
 Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr
 Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin, Bundesministerium der Verteidigung
 Dirk Schwardmann, Vize-Präsident GDWS
 Dr. Torsten Stengel, Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee
 Dirk Eickmeyer, Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee
 Cristina von Pozniak-Bierschenk, Staatliches Baumanagement Nord-West
 Anne Janssen, MdB
 KatharinaJensen, MdL
 Sina Beckmann, MdL
 Marten Gäde, MdL