Die Regierung muss für Rahmenbedingungen und Finanzmittel sorgen, dass diese nationale Aufgabe sofort mit aller Kraft umgesetzt werden kann
Die Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung e.V. wendet sich erneut mit einem eindringlichen Appell an die zuständigen Ministerien in Hannover und Berlin, um deutlich zu machen, dass zum Erreichen der selbst gesteckten Energieziele im Offshore-Bereich dringend mehr Hafeninfrastruktur erforderlich ist.
Für die besonderen Anforderungen von Errichter- und Basishäfen für Offshore-Windkraftanlagen bestehen an der deutschen Nordseeküste nur wenige Erweiterungs-möglichkeiten – eine davon in Wilhelmshaven! Die zweite Baustufe des JadeWeser-Ports (JWP) kann so hergestellt werden, dass damit gleich mehrere Hafenfunktionen erfüllt werden.
Das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) bestimmt mit seiner letzten Änderung vom 22.03.23 sehr ambitionierte Ziele für die künftige Stromproduktion im Offshore-Bereich der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Um die dort festge-setzten Ausbauziele von 30 GW bis 2030 und 70 GW bis 2045 zu erreichen, müssen hierfür die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu zählen nicht zuletzt die besonderen Hafenanlagen in Umfang und Qualität.
Die WHV e.V. ist sich mit vielen Fachverbänden und Experten einig darüber, dass dies eine nationale Aufgabe ist!
Die heute gängigen Offshore-Windenergieanlagen mit 14 MW und mehr Leistung bestehen aus Komponenten mit sehr großen Abmessungen und hohen Gewichten, die ausschließlich im Küstenbereich vormontiert und über See zu den Nordseeclustern transportiert werden können.
Dort können ausreichend tragfähige Kaianlagen und große Nutzflächen für verschiedene Funktionen wie z.B. die Lagerung, Vormontage, Service und auch Recycling von Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden.
Im Interesse der deutschen Wirtschaft muss der Transformationsprozess durch nach-haltig wirkende Infrastrukturen unterstützt bzw. ermöglicht werden. Die deutsche Energiewirtschaft würde durch die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für den Ausbau der Offshore-Windindustrie gestärkt, auch zum Nutzen des Industrieverbunds und der Volkswirtschaft insgesamt.
Die WindGuard-Studie vom September 2023 stellt dazu fest, dass die aktuell nutzbaren Hafenflächen und Kaianlagen in den deutschen Häfen weitgehend ausgelastet sind. Der Bedarf an Hafeninfrastruktur, um die o.a. Ausbauziele umzusetzen, wird mit zusätzlichen
ca. 300 ha Fläche und mit hochbelastbaren Kaianlagen ermittelt, die zurzeit nicht vorhanden sind. Die bisherige, reaktive Hafenstrategie eines bedarfsgerechten Hafen-ausbaus muss jetzt zu einer offensiven Anpassung der Hafeninfrastruktur führen, um den Industriestandort Deutschland zu sichern!
Die Zahlen sprechen für sich:
- Bis 2030 müssten jährlich 270 Offshore Windenergieanlagen (OWEA) à 14 MW (insges. 1535 OWEA) installiert werden, bis 2045 wären darüber hinaus 2.666 OWEA à 14 MW zu errichten, um die Ausbauziele 30 GW bzw. 70 GW zu erreichen.
- Bis 2022 sind in Deutschland allerdings bisher nur 8,1 GW Leistung mit 1539 leistungsschwächeren OWEA installiert worden.
Mit dem WindSeeG in der aktuellen Fassung wurde ein beschleunigter Ausbau mit hohen Leistungszielen beschlossen. Aus Vereinbarungen wie z.B. der „Mehr Wind auf See“ vom 03.11.2022 haben sich die norddeutschen Länder verpflichtet, „gemeinschaftlich die erforderlichen Schritte eng abzustimmen und … die erforderlichen Vorleistungen“ selbst zu erbringen. Wichtige Bausteine sind dabei die Offshore-Netzanbindungen. Dabei wird Wilhelmshaven die besondere Rolle als Anlandepunkt beigemessen, erkennbar in den Aktivitäten der Fa. Tennet mit der Planung und Realisierung von Umspannwerken, Konvertern und Höchstspannungsleitungen bis 2030.Als eine von mehreren Anfragen hat uns die Firma Shell Deutschland erläutert, welche Planungen sie seit einiger Zeit im Zusammenhang mit ihrer Offshore-Windsparte betreibt. Sie hat dabei einen sehr konkreten Anforderungskatalog an Hafeninfrastruktur für einen Offshore-Basishafen und einen Offshore-Versorgungshafen vorgestellt:Für einen Basishafen, der z.B. am JWP II entstehen könnte, werden 2 Liegeplätze mit einer Gesamtlänge von 500 m, Wassertiefe 10,5 m, Belastbarkeit in Teilbereichen zwischen 40 und 80 t/m², 20 ha Hafenfläche gesucht. Ein solcher Hafen hat bei der heutigen Errichter-Logistik den Vorteil, dass die Flügelblätter quer auf dem Errichter-schiff transportiert werden können, mit einer Gesamtbreite von bis zu 100 m. Verkehrs-technisch und nautisch ist das auf der Jade und den Zufahrten am ehesten ohne lange Verkehrsunterbrechungen möglich.Für einen Offshore-Versorgungshafen, also besondere Aufgaben unterhalb der Groß-komponenten-Logistik, können auch Flächen und Kajen im Innenhafen nutzbar gemacht werden. Die Vorbereitungen dazu wurden bereits begonnen.Beide o.g. Anforderungsprofile ließen sich in Wilhelmshaven realisieren.
Unsere Forderung: Der JadeWeserPort muss dringend um die zweite Baustufe erweitert werden.
Mit der zweiten, als machbar festgestellten Ausbaustufe des JadeWeserPorts würden bei 1800 m Kailänge bis zu 300 ha Terminalfläche zusätzlich entstehen.
Somit bietet der JWP II ideale Voraussetzungen für zukünftige Nutzungsbedarfe – flexibel als Multi-Purpose-Terminal:
• Für den raschen Aufbau der Offshore-Windenergie in Deutschland bietet nur der JWP II die benötigten, großen Montage- und Logistikflächen
• Umschlagsmöglichkeiten über einen RoRo-Terminal z.B. für Auto-Importe
• potenzielle Nutzung von strategischen Umschlag- und Verlegeleistungen von Bundeswehr- bzw. NATO-Einheiten
• für Rückbau und Recycling von Offshore Anlagen
• sowie die Möglichkeit, diesen Ausbau für die Erweiterung des Container Terminals bedarfsgerecht weiterzuentwickeln
Ausbaustrategie für den JWP II
Die Ausbaustrategie für den JWP II besteht vorrangig darin, den akuten Bedarf an Offshore-Umschlag- und -Lagerflächen sowie an Umschlaganlagen für den PKW-Import bereits kurz- bis mittelfristig zu realisieren.
Die für 2025 angekündigte neue Allianz von Hapag Lloyd und Maersk zur Gemini Kooperation gibt Anlass dazu, dass dort Umschlagsaktivitäten für die ultra-großen Containerschiffe als ersten und letzten Containerhafen auf der Europa-Fernost Route konzentriert werden. Nach Expertenmeinung wird das mittelfristig zu einem erhöhten Umschlagsaufkommen führen und in absehbarer Zeit die Erweiterung des JadeWeserPorts erforderlich machen. In Kombination mit den weiteren Nutzungsoptionen kann die Erweiterung deshalb vorgezogen werden, um die Attraktivität und die Wirtschaftlichkeit des einzigen deutschen Tiefwasserhafens zu erhöhen.
Für die Offshore-Wind-Branche würde der JWP II den Installationsschiffen und großen Seeschiffen geeignete Infrastrukturen bieten. Große, zusammenhängende Flächen würden umfangreiche Möglichkeiten zur Lagerung und Vormontage von Komponenten ergeben. Südlich des Hafens endet die Bundesautobahn A29, so dass der Lieferverkehr auch für schwere Lasten und große Ausrüstungskomponenten direkt gewährleistet ist. Nach den Ausbauphasen der Windenergie könnten die Flächen flexibel für Nachnutzungen zur Verfügung stehen, z.B. für Erweiterungen des Containerumschlags, Rückbau- und Recyclingaktivitäten oder als Mehrzweck-Terminal.
Die WHV e.V. hat eindringlich deutlich gemacht, dass für die Energiewende als nationale Aufgabe der Bund einen wesentlichen Finanzierungsanteil übernehmen muss. Dafür müssen die Einnahmen aus der Offshore-Flächenvergabe an Bauherren und Betreiber von Offshore-Windparks zweckgebunden verwendet werden. Im letzten Jahr sind daraus zweistellige Milliardenbeträge vom Bund vereinnahmt worden.
Auch hier sollte die Umsetzung der strategisch wichtigen Vorhaben mit der politisch verkündeten „neuen Deutschlandgeschwindigkeit“ erfolgen! Es wird allerhöchste Zeit, dass das Land Niedersachsen sich jetzt um die Entwicklung des JadeWeserPorts kümmert. Er bietet hervorragende Voraussetzungen und Möglichkeiten für die politisch gewollte Hafenkoordination und -kooperation auf den verschiedenen Ebenen, in staatlicher, betrieblicher und verkehrlicher Hinsicht.
Die WHV e.V. hält ein Beschleunigungsgesetz für diese spezifische Aufgabenstellung für erforderlich und hat dafür Vorschläge gemacht.
Angesichts der derzeit noch langen Genehmigungszeiten von 7 bis 10 Jahren muss jetzt die Initiative ergriffen werden, die Planungen für die zweite Baustufe wieder aufzunehmen, um möglichst vor 2030 mit der Erweiterung am Start zu sein.
Dazu bedarf es einer klaren politischen und finanziellen Unterstützung durch den Bund!